Konsequent = böse?

So, Tag 3 des Experimentes "Klasse 1" ist nun verstrichen. Bisher bin ich meinem Plan vom ersten Tag an Regeln einzuführen, ihre Umsetzung einzufordern und Fehlverhalten konsequent zu ahnden, treu geblieben. Ich klopfe mir mal selbst auf die Schulter.

Der Übertritt vom Kindergarten in die Grundschule ist ein deutlicher Schnitt im Leben eines Kindes, für manche sogar ein regelrechter Schock. Im Kindergarten haben die Kinder mehr Freiräume und Zeit zum Spielen; in der Schule sollen sie plötzlich mehrere Stunden an einem Platz sitzen, sich konzentrieren und arbeiten. Daher möchte ich den Übergang so sanft gestalten, wie es der schulische Rahmen zulässt, meinen Schulkindern Freiräume bieten, das Lernen spielerisch und mit Spaß gestalten.

Letzteres heißt in meinen Augen nicht, dass Schule ein regelfreier Raum sein darf. Im Gegenteil! Wer Freiheiten genießen möchte, der muss umso mehr beweisen, dass er sich an Regeln halten kann. Was meine ich damit? Ganz einfach: Kennen die Kinder die Grenzen/Regeln und auch die Konsequenzen, die bei Missachtung der Grenzen folgen, dann können sie sich im Rahmen dieser Grenzen frei bewegen. Haben Schüler das erst einmal gelernt, dann kann man die Grenzen nach und nach erweitern.

Meine Erfahrungen der letzten Jahre hat mich gelehrt, dass man möglichst "früh" und "klein" beginnen muss. Deshalb starte ich stets mit so wenig Regeln, wie es mir vertretbar scheint - momentan sind das: "Ich melde mich und warte, bis ich drankomme." und "Ich arbeite leise." - in eine neue Klasse. Das sind zwei sehr klare Regeln, deren Einhaltung oder Missachtung recht gut zu beobachten ist. Schwammig formulierte Regeln, die nur schwer zu überprüfen sind, machen auch das Ahnden von Fehlverhalten schwieriger. Sind meine beiden ersten Regeln etabliert und werden sicher eingehalten, ergänze ich den Regelkatalog nach und nach um eine neue Regel und übe diese, bis sie sitzt.

Wichtig ist mir, mit den Kindern sehr deutlich zu besprechen, was passiert, wenn sie die Regeln nicht einhalten. Deshalb habe ich gleich am zweiten Tag unser "Warnsystem" vorgestellt. Warnsysteme gibt es viele, in den unterschiedlichsten Aufstellungen und Farbvarianten. Der Gedanke dahinter ist jedoch immer der gleiche: Wenn ein Kind die Regeln missachtet, rutscht es innerhalb des Warnsystems eine Stufe weiter. Die Stufen sind mit Konsequenzen verbunden.

Ist man in der Nutzung eines solchen Systems konsequent, lernen die Kinder sehr schnell, dass auf Fehlverhalten A Konsequenz B folgt. Möchten sie Konsequenz B vermeiden, müssen sie Fehlverhalten A abstellen. Wichtig ist dabei, dass ich als Lehrer konsistent und klar in meinem Verhalten bin, d. h. ich behandle jeden Regelübertritt von jedem Kind gleich, damit es die logische Verknüpfung von seinem Verhalten zu meiner Konsequenz macht. Würde ich das Verhalten jedes Kindes unterschiedlich ahnden, oder sogar das wiederholte Verhalten eines Kindes immer wieder unterschiedlich stark oder gar nicht ahnden, fehlt dem Kind der Bezugsrahmen, an dem es sein Verhalten (bzw. das Unterlassen dieses Verhaltens) messen kann. Überspitzt gesagt: Warum soll es sein Verhalten auch ändern, wenn es mal dafür ermahnt/bestraft wird und mal nicht? Das funktioniert für einen Großteil der Kinder sehr gut, ist aber  kein Allheilmittel für jeden Schüler und jegliche Art von Fehlverhalten.

In meinen Augen ist es aber mindestens genauso wichtig, jede Form positiven Verhaltens eines Kindes (überschwänglich) hervorzuheben. Zum einen, weil ein Schüler anderen Kindern richtiges Verhalten zeigt und sich diese das Verhalten abschauen können; zum anderen fördert die positive Verstärkung (Lob) natürlich die Wiederholung erwünschter Verhaltensmuster. Warum? Wir alle, Kinder wie Erwachsene, freuen uns über Lob. Wir fühlen uns toll, wenn uns jemand sagt, dass wir etwas gut gemacht haben oder eine spitzen Leistung erbracht haben. Wir möchten, dass sich das Gefühl wiederholt, also wiederholen wir das Verhalten, wofür gelobt wurden. Ist doch logisch, oder nicht? 

Man sollte nicht versuchen, Kinder zu erwischen, wenn sie etwas Schlechtes tun, um sie zu bestrafen, sondern, wenn sie etwas Positives tun und sie dafür belohnen/loben!

Mit diesem System aus "Zuckerbrot und Peitsche" bin ich bisher stets gut zurechtgekommen. Bis es ausgereift war, hat es auch bei mir einiger Jahre Versuch und Irrtum bedurft. Perfekt ist es sicherlich nicht und ich bin stets auf der Suche nach noch besseren Möglichkeiten, meinen Schulies Regeln und deren Einhaltung zu vermitteln. Wer also Tipps, Trick oder Kniffe hat, darf mir dieser gern in den Kommentaren hinterlassen.

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